19.05.2020
Und es ist ja auch so:
Um was geht es eigentlich in der aktuellen Debatte? Na ja, „Debatte“ kann man es eigentlich schon gar nicht mehr nennen. Denn hier wird mit sehr harten Bandagen gekämpft. Da ich Teil derjenigen bin, die Fragen zur Richtigkeit und Verhältnismäßigkeit der politischen Entscheidungen stellen, weiß ich also auch, was in den diversen Netzwerken so passiert, was geäußert und gefragt wird und worum man sich Sorgen macht.

...Und dann muss ich – fassungslos – zur Kenntnis nehmen, was Politik und vor allem die Medien daraus machen. Da ich Teil von denen bin, über die berichtet wird, kann ich das also auch beurteilen – was für die meisten, die laut ihre Meinung herauskreischen, leider ganz und gar nicht der Fall ist.

Wenn also Medien und Politik Begriffe wie Spinner, Vollpfosten, Verschwörungstheoretiker, Rechtsextreme, Aluhüte und so vieles mehr verwenden, dann ist das nicht einfach nur irgendein Geschwätz. Nein! Das ist dann eine vollkommen ungerechtfertigte, unsachliche und falsche Darstellung der Dinge. ...Und damit eine massive, persönliche Beleidigung meiner eigenen Person! Und es ist ein massiver Missbrauch ihrer Macht und eine vollkommene Verfehlung ihrer Aufgabe.

So, wie ich es einschätze, sind die meisten ganz normale, vernünftige Menschen ...die aber durchaus über den Tellerrand hinaus schauen und auch alle weiteren, möglichen Konsequenzen des politischen Handelns im Auge haben. Und die finden, dass das leider viel zu kurz kommt. Und es sind Menschen, die das Grundgesetz für die Grundlage unserer Demokratie halten und die auch finden, dass mit unserer Verfassung aktuell ziemlich liederlich umgegangen wird.

Ja, natürlich wird es auch andere Menschen geben, die aus unterschiedlichsten Gründen mit der Politik in unserem Land unzufrieden sind oder Weltanschauungen haben, die ungewöhnlich sind. Aber das ist aktuell nicht mein primäres Problem. Das hat verschiedene Gründe:
Erstens: Mir geht es aktuell vor allem um die Grundlagen und die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.
Zweitens: Ich habe meine eigenen politischen Einstellungen und bin auch immer bereit, diese zu verteidigen. (Leute, die mich näher kennen, wissen das auch ganz genau! 😄) Gleichzeitig bin ich aber auch nicht so überheblich, mich selbst als den Hüter der absoluten Wahrheit zu sehen.
Drittens: Im „normalen“ Leben habe ich schon immer vehement meine politischen Ansichten verteidigt, obwohl ich eher „philosophische“ Ansichten sagen müsste. Und da ich im konservativen Bayern lebe, darf man gerne davon ausgehen, dass ich mich damit meist auf der Seite der Minderheit befinde. 😉 Ich vermeide hier aber Begriffe, die von links nach rechts gehen, da mich schon lange keine der etablierten Parteien mehr vertreten kann.

Was ich damit aber sagen will, ist folgendes: Eine funktionierende Demokratie ist in der Lage, jedes Denken auszuhalten, solange es sich im Rahmen unseres Grundgesetzes bewegt.

Wer sich Sorgen macht über bestimmte Denkrichtungen oder Weltanschauungen, die ihm selbst nicht passen, und der ernsthaft glaubt, diese mit allen Mitteln der Unterdrückung, der Diffamierung oder der Falschaussage zu bekämpfen, ...der hat in Wirklichkeit den Glauben an die Demokratie und an den Wert und die Funktionsfähigkeit der Verfassung verloren.

Nun, im Grunde ist das ja eigentlich der gemeinsame Nenner von mir und „denen“. Wir gehen das nur vollkommen anders an. Während ICH glaube, dass der Respekt und die Verteidigung des Grundgesetzes der eigentliche Garant für unsere Demokratie sind, glauben „die“ (und das sind Politik, Medien und Teile der Gesellschaft) das nicht mehr und sind davon überzeugt, dass nur Diffamierung, Beleidigung und Verleumdung das adäquate Mittel sein können. Und falls jetzt jemand einwenden wollte: „Die gibt es ja auch auf der anderen Seite!“, dann muss ich sagen: Ja, das stimmt. Aber erstens ist es niemals klug, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und zweitens müssen diejenigen, die über unser Leben entscheiden und die Kommunikationsmacht haben vor allen anderen mit bestem Beispiel vorangehen.

Eine stabile und funktionierende Demokratie und eine starke Verfassung muss und kann aber unterschiedlichste Meinungen aushalten!

Ich weiß nicht, was die Medien – die nicht umsonst die vierte Gewalt genannt werden – da gerade veranstalten. Es ist mir wirklich ein Rätsel.

Aber ich rufe den Medien zu (auch wenn ich davon überzeugt bin, dass es sie einen feuchten Kehricht schert. Aber wenigstens habe ich meinen Mund aufgemacht.): Was ihr da tut, das ist überhaupt nicht klug! Was denkt ihr damit zu erreichen? Glaubt ihr, damit ganz normale Menschen wie mich einzuschüchtern, damit wir unseren Mund halten und alles hinnehmen?
Ich wage eine Prognose: Das Gegenteil wird passieren. Ich werde die Verfassung, die Demokratie, die Gerechtigkeit und eine dafür unerlässlich notwendige objektive Information und Berichterstattung mit Zähnen und Klauen verteidigen. Und ich bin überzeugt davon, dass es sehr viele andere Menschen wie mich gibt (oder zumindest irgendwann geben wird), die es ähnlich sehen.
Je mehr Ihr Medien uns durch Diffamierung und Beleidigung in eine bestimmte Ecke zu drängen versucht, umso mehr hängt ihr uns ab und umso mehr wird uns klar, wie wichtig unser Engagement wirklich ist. Falls Euer Interesse aber eine weitere Spaltung der Gesellschaft ist, dann allerdings seid Ihr genau auf dem richtigen Weg.

Das war ein ungeplanter Exkurs. 😉

Eigentlich war ja die Frage, um welche „Debatte“ es eigentlich geht.
Im Grunde geht es um die Abwägung von zwei wichtigen gesellschaftlichen Gütern:
Es geht um den Kampf von persönlicher Freiheit und Würde gegen (gesundheitliche) Sicherheit.
Freiheit und Sicherheit waren noch niemals Werte, die sich in gleichem Maße garantieren ließen. Und das wird auch niemals so sein! Beide Werte stehen sich im Zweifelsfall sogar im Weg.
Eine funktionierende Demokratie hat den Anspruch, trotzdem beide Werte möglichst gleichermaßen gut zu garantieren.
Aber! Es ist IMMER eine Abwägung! Nichts kann absolut sein.
Und es ist so, dass eine demokratische Gesellschaft sich per definitionem dazu entschieden hat, die Würde des Menschen und auch seine persönliche Freiheit als ein besonders wertvolles Gut ganz oben auf die Checkliste zu schreiben.

Natürlich gibt es Situationen, in denen deren Einschränkung nicht vermieden werden kann. Das kann zum Beispiel ein Krieg sein, und ja, es können durchaus auch Pandemien sein! Da Freiheit und Würde aber so essentielle Güter sind, dürfen die Einschränkungen niemals über das absolut notwendige Maß hinausgehen und auch nur dann, wenn es keine andere Möglichkeiten gibt. Nun ist es aber so, dass Politik und Wissenschaft nur sehr vage Annahmen (die sich übrigens bisher immer nachweisbar als falsch erwiesen haben!) hergenommen haben, um ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung alles zu entscheiden, was gerade – aus welchen Gründen auch immer - genehm erschien. Und dies, ohne alle anderen Konsequenzen – die übrigens ebenfalls Menschenleben kosten werden – miteinzubeziehen. Ich empfinde es übrigens als unverantwortlich, dass nicht einmal ein Gremium aus verschiedensten Disziplinen gebildet wurde, um einen vernünftigen und verhältnismäßigen Weg durch diese Zeit zu finden.

Es geht nicht darum, dass unter den Bedingungen von Unsicherheit und noch fehlendem Wissen nicht auch manchmal falsche Entscheidungen getroffen werden können. Manchmal muss man auch unter Unsicherheit handeln. Aber es geht darum, dass, wenn bessere Erkenntnisse vorliegen, dann Fehler auch eingestanden werden müssen und ein anderer Weg eingeschlagen wird. Mir drängt sich aber der ziemlich konkrete Eindruck auf, dass alles, was aktuell geschieht, nur dazu dient, Fehler eben nicht einsehen zu müssen und Zeit zu gewinnen, um mögliche Fehler nicht mehr identifizierbar zu machen. Das ist ungut und es fördert ganz sicher nicht das Vertrauen in die Entscheider über unser Leben und unsere Gesellschaft. Und dass die Medien dies vollkommen unkritisch hinnehmen, macht sie letztlich obsolet und sie hinterlassen damit genau dort ein Vakuum, wo es doch wichtig wäre, kritisch und objektiv zu hinterfragen.

Diese Debatte, ob nun Freiheit oder Sicherheit wichtiger sind, ist im übrigen eine sehr scheinheilige Debatte.
Das propagierte und schwülstig-moralisch vorgetragene Argument der gesundheitlichen Sicherheit ist im Grunde doch verlogen. Dieses „Wir-lassen-niemanden-zurück“ klingt zwar ganz schön, hat aber noch niemals gestimmt.
Es hat nicht gestimmt bei den bis zu 20.000 Toten, die jährlich durch Krankenhauskeime sterben.
Es hat nicht gestimmt, als mal eben 25.000 Menschen in einer Grippesaison mehr gestorben sind als sonst. (Und es hat übrigens auch nicht gestimmt, als in Italien mal eben 50.000 Menschen mehr verstorben sind als in anderen Jahren.)
Es stimmt nicht, wenn wir uns für 4,- € ein T-Shirt kaufen und uns nicht fragen, wie es denn sein kann, dass ein T-Shirt zu diesem Preis überhaupt hergestellt werden kann.
Es stimmt nicht, wenn deutsche oder europäische Textilhändler von einem Tag auf den anderen alle Aufträge in Bangladesch stornieren und noch nicht einmal die bereits georderten Aufträge bezahlen – und es einfach niemanden sonderlich interessiert.
Es stimmt nicht, wenn wir uns ein Smartphone kaufen, für das nun einmal seltene Erden notwendig sind ...die irgendjemand (häufig ein Kind) unter unsäglichen Bedingungen ausbuddeln muss.
Es stimmt nicht, wenn wir alte Menschen dazu verdammen, im Altersheim eingesperrt zu sein und die wenige Zeit, die sie noch haben, in Einsamkeit und Verzweiflung verbringen zu müssen.
Es stimmt nicht, wenn wir in Kauf nehmen, dass Menschen ihre Existenz verlieren und sie ohne Existenz keine Perspektive und keine Würde mehr haben.
Und es stimmt nicht, wenn uns die Psyche der Kinder vollkommen egal ist, die doch so sehr angewiesen sind auf soziale Interaktion und Nähe.
Ich könnte endlos so weiter machen.

Aber davon einmal abgesehen, ist es auch so, dass dieser moralische Anspruch auch niemals erfüllt werden könnte, selbst, wenn wir es wollten. Was ist mit all den anderen, wirklich gefährlichen Krankheiten oder Gefahren, die wir einfach so hinnehmen?
Die Tatsache allein, dass wir leben, birgt IMMER auch das Risiko dessen Endes.
Das haben wir eigentlich immer gewusst, ...nur seit zweieinhalb Monaten haben wir das wohl vergessen.
Denn wenn wir das aktuelle Glaubensdogma der absoluten gesundheitlichen Garantie wirklich einmal zu Ende denken würden, dann müssten wir dringend mindestens folgende Tätigkeiten aufgrund ihrer Gefährlichkeit verbieten (nicht in ihrer richtigen Reihenfolge der Gefährlichkeit):
- Rauchen
- Risikosport, wie Fallschirmspringen, Bergsteigen, Hockey, Mountainbike etc.
- Haushaltsreparaturen, wie zum Beispiel das Klettern auf eine Trittleiter, um eine Glühbirne auszutauschen.
- Motorradfahren.
- Autofahren
- Reisen, bei denen wir uns Malaria und andere tropische Krankheiten einfangen können oder einfach mal auf einen giftigen Seeigel oder eine giftige Qualle treten könnten?
- Soldaten, die wir zum Schutz unserer Demokratie in entlegene Gebiete der Welt schicken?
- Waffen, die wir an alle möglichen Parteien verkaufen?
- usw. usw.

Warum verbieten wir das nicht alles? Wäre die Welt nicht viel sicherer, wenn wir das alles verbieten würden?
Tja, ich schätze, weil das nicht immer alles so einfach ist. Und weil ein Staat niemals in der Lage ist, immer das Beste für jeden zu garantieren und weil das auch niemals möglich sein wird. Und weil das auch nicht die Definition dessen wäre, was viele sich als lebenswertes Leben vorstellen. Und weil letztlich Eigenverantwortung immer der Preis für ein wertvolles, inhaltsreiches Leben ist.

Deswegen ist es notwendig, diese verschiedenen Güter einer Demokratie immer sehr sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Wenn das aber zu schlampig geschieht, dann MUSS Widerstand entstehen.

Es ist übrigens auch nicht so, dass hierfür einfach nur die Meinung der Mehrheit einer Gesellschaft der alleinige Maßstab sein kann.
Die Mehrheit einer Gesellschaft ist ein wesentlicher Faktor in einer Demokratie. Das ist vollkommen richtig! Aber sie ist eben nicht der alleinige Maßstab. Die Mehrheit einer Gesellschaft kann sich nämlich durchaus irren. Das wäre nicht das erste Mal!
Die Mehrheit einer Gesellschaft kann durchaus beschließen, dass Menschen in Altersheimen in „Einzelhaft“ kommen, oder dass Kinder keinen Kontakt zu anderen Kindern mehr haben dürfen. Die Mehrheit einer Gesellschaft kann im Zweifelsfall sogar beschließen (und hat es auch schon einmal), dass bestimmte Menschen nicht das gleiche Recht auf Leben haben, wie sie selbst - und sogar nachhelfen, diese Einstellung faktisch umzusetzen.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wussten das! Und deshalb haben sie klugerweise Spielregeln festgelegt, in denen wir (und auch die Mehrheiten) sich bewegen dürfen. Und sie haben gewusst, dass eine funktionierende Demokratie auf Dauer nur bestehen kann, wenn Sichtweisen unterschiedlich sein dürfen und müssen und auch alles hinterfragt werden darf.