Thorsten Wiethölter, 19.08.2020
Nein, Schweden hat immer noch nicht die Kontrolle verloren!
Dies ist eine (Teil-)Aktualisierung meines Beitrages vom 20.06.2020.
Da ich heute darauf hingewiesen wurde, dass wohl wieder Zahlen kursieren, die die Weissagungen Nostradamus‘ in den Schatten stellen würden, halte ich es für notwendig, wieder mal einen korrekten Blick auf die Datenlage in Schweden zu werfen.
Die Sterberate in Schweden
Die folgende Grafik zeigt, dass die Sterberate tendenziell, aber mit mehr oder gravierenden Ausschlägen nach oben oder unten, in den letzten 30 Jahren gesunken ist. Das Jahr 2020 (Jan. bis Juli) zeigt wieder eine erhöhte Sterblichkeit. Allerdings fällt es nur besonders durch das Jahr 2019 mit einer ungewöhnlich niedrigen Sterberate auf. Die Jahre davor hatten bis Ende Juli eine ähnliche Sterblichkeit wie das Jahr 2020.
Was die erhöhte Sterblichkeit in absoluten Zahlen heißt, dazu komme ich später.
Bis zum 31.07.2020 wurden 5.762 Tote mit Covid-Bezug gemeldet. Wenn diese Toten von den bis dahin insgesamt Gestorbenen abgezogen werden, verbleiben noch 51.160 Tote, die an anderen Ursachen verstorben sind.
Wenn man dieses Verhältnis mit den vergangenen 10 Jahren vergleicht, dann fällt auf, dass - ohne Covid - in keinem Jahr weniger Menschen verstorben sind als in 2020. Es stellt sich also die Frage: Woran sind diese Menschen (rote Balken) in den vergangenen Jahren eigentlich verstorben?
Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der obige Vergleich auf absoluten Zahlen beruht. Dies verzerrt die Relationen. Die Bevölkerung wächst in Schweden im Schnitt pro Jahr um 1%. Seit dem Jahr 2010 ist die Bevölkerung um 10% gewachsen.
In der folgenden Grafik ist derselbe Vergleich im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung dargestellt.
Es zeigt sich, dass nur ein Jahr von elf Jahren eine signifikant geringere Sterberate aufweist. In fünf von 11 Jahren waren die Sterberaten gleich hoch oder höher als in 2020. Auch hier sieht man: Der eigentliche Ausreißer ist nicht das Jahr 2020, sondern – im positiven Sinne – das Jahr 2019.
Bezogen auf den Durchschnitt der letzten fünf Jahre (der vor allem vom Jahr 2019 geprägt wird) liegt die Sterberate in 2020 um 0,0045% höher als der Durchschnitt. In absoluten Zahlen entspricht das einer Zahl von 471 Menschen, die mehr verstorben sind als im Durchschnitt der letzten 5 Jahre. Bereinigt um die Tatsache, dass 2020 ein Schaltjahr ist, verbleiben noch 258 mehr Verstorbene über dem 5-Jahres-Durchschnitt.
Interessant ist allerdings die Tatsache, dass diesen 258 mehr Verstorbenen 5.762Covid-Tote gegenüberstehen...
Um anschaulich zu machen, wie Sondereffekte wie Schaltjahre und Bevölkerungswachstum den Vergleich verzerren, sind in der folgenden Grafik die durchschnittlichen Todeszahlen pro Tag als absolute Zahl und als Wert pro 100.000 Einwohner angegeben.
Es wird sichtbar, dass die Anzahl der durchschnittlichen Todesfälle pro Tag im Jahr 2020 bisher (bis 31.07.) tatsächlich höher ist, als in den vergangenen Jahren. Bereinigt um das Bevölkerungswachstum und die Schaltjahre (das macht in etwa 223 Todesfälle aus), liegt die Sterberate aber auf einem recht normalen Niveau.
Statt dessen fallen eher die Jahre 2014, 2016 und 2019 im positiven Sinne aus dem Rahmen.
FAZIT
Im Jahr 2020 müssen wir in Schweden durchaus von einem Jahr mit einer starken Infektionswelle ausgehen. Im mehrjährigen Vergleich fällt das Jahr 2020 durchaus auf, aber nicht wirklich aus dem Rahmen.
Für apokalyptische Interpretationen der schwedischen Situation eignet sich die Datenlage ganz und gar nicht.
Quellen, auf denen die Grafiken in diesem Beitrag basieren:
Schwedische Gesundheitsbehörde:
(Der Download-Link auf derSeite hat folgenden Text: Data som statistiken ovan bygger på kan laddas ner här (Excel))
Schwedische Gesundheitsbehörde (Anzahl Covid-Tests Schweden):
Schwedisches Statistikamt, Sterbestatistik und Bevölkerungsstatistik in den jeweiligen Rubriken)
21.08.2020
Nachtrag aus aktuellem Anlass:
